Aufsatz zur "Charta von La Valetta" 123456 «weiter»

Das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes vom 16. Januar 1992

Von Ministerialrat a. D. Prof. Dr. Ernst-Rainer Hönes, Mainz

Der Verfasser war von 1974 bis 2000 Referatsleiter für Denkmal- und Kulturgüterschutz im Kultusministerium Rheinland-Pfalz. Er ist Honorarprofessor an der Fachhochschule Mainz und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Recht und Steuerfragen des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz.

Verzeichnis

I. Vorbemerkung

II. Das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes vom 16. Januar 1992

III. Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in der EU

IV. Verpflichtung aus UNESCO-Vorgaben

V. Ergebnis

VI. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis


I. Vorbemerkung

Wie alle wissenschaftlichen Disziplinen befindet sich auch die Denkmalpflege einschließlich der archäologischen Denkmalpflege (Bodendenkmalpflege) in einer fortwährenden Entwicklung, so dass auch der rechtliche Rahmen dieser durch die Artikel 3 und 141 der Bayerischen Verfassung legitimierten Aufgabe von Zeit zu Zeit der Überprüfung bedarf. Dies ist natürlich zunächst einmal Sache des Landes selbst [1], denn Denkmalschutz fängt zu Hause an. Wenn dies nun mit Blick auf das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes von außen geschieht, wird deutlich, dass auch das Denkmalrecht wie nahezu jeder Bereich des innerstaatlichen Rechts mittlerweile einen Prozess der Europäisierung und Internationalisierung durchläuft oder zumindest durchlaufen sollte.

Der Schutz des archäologischen Erbes wurde in Deutschland durch die Eintragung des Obergermanisch-Raetischen Limes in den Ländern Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen in die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt im Juli 2005 aufgewertet, zumal der Limes zusammen mit dem bereits seit 1987 eingetragenen Hadrianswall in Großbritannien eine grenzüberschreitende Welterbestätte bildet. Somit geht es neben den internationalen Vorgaben wie dem UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972 [2] insbesondere auch um die Verantwortung Europas für den tatsächlichen und rechtlichen Schutz seines Erbes. Diesem Schutz diente bereits das vom Europarat beschlossene Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Kulturguts vom 06. Mai 1969 [3], das auch die Denkmalschutzgesetzgebung in Bayern hätte beeinflussen können, selbst wenn es von Deutschland erst 1974 ratifiziert wurde.

So sah der Antrag des Abgeordneten Schöfberger und andere (SPD) schon 1971 für ein „Gesetz zum Schutz der Kulturdenkmäler und sonstiger Kulturschätze“ [4] einen eigenen Abschnitt "Fund von Kulturdenkmälern und sonstigen Kulturschätzen" vor. Neben den zufälligen Funden, den Nachforschungen und den Fundschutzgebieten war in einem Artikel 22 auch bereits ein „Fundregal“ vorgeschlagen. Danach sollten sonstige Kulturschätze, die herrenlos sind, oder so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, mit der Entdeckung in das Eigentum des Landes gelangen, wenn sie

  1. bei staatlichen Nachforschungen oder
  2. in Fundschutzgebieten

entdeckt werden.

Das gleiche sollte für andere Funde gelten, "wenn die obere Denkmalschutzbehörde innerhalb von zwei Monaten nach Anzeige feststellt, dass der Kulturschatz einen erheblichen wissenschaftlichen oder künstlerischen Wert hat".
Dieser Vorschlag folgte dem Beispiel der benachbarten Schweiz (§ 724 ZGB) ebenso wie dem damals bereits vorliegenden baden-württembergischen Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Kulturdenkmale vom 08. Juli 1970 [5].

Der Regierungsentwurf eines "Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler" vom 14. Februar 1972 [6] geht einen anderen Weg. Er orientiert sich an bisherigen rechtlichen Möglichkeiten des Art. 22 b  des Polizeistrafgesetzbuches von 1871 in der Fassung von 1908 [7]. Auf Grund dieses Art. 22 b Abs. 1 wurde durch Prinzregent Luitpold vor rund 100 Jahren die königlich allerhöchste Verordnung die Ausgrabungen und Funde von prähistorischen oder historisch merkwürdigen Gegenständen betreffend, vom 6. September 1908 [8], erlassen.

Bereits damals wurden gemäß der wohl vor rund 200 Jahren in Bayern mit der königlichen Verordnung vom 23. März 1808 [9] begründeten Rechtstradition das Ausgraben von Gegenständen im Sinne von Bodendenkmälern (Genehmigungspflicht) und das Auffinden von Bodendenkmälern einschließlich der Erhaltung des unveränderten Zustandes des Fundortes bis zu 7 Tagen geregelt.

Dem entspricht auch heute noch der Regelungsgehalt des III. Abschnitts des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes vom 25. Juni 1973 wie Art. 7 "Ausgraben von Bodendenkmälern" und Art. 8 "Auffinden von Bodendenkmälern". Angereichert wurden diese Regelungen durch die Möglichkeit der Grabungsschutzgebiete nach Art. 7 Abs. 2 DSchG und die Regelung über die Auswertung von Funden nach Art. 9 DSchG.

Somit ist der Schutz der Bodendenkmäler "in Bayern nicht ganz so umfassend wie nach den Gesetzen anderer Länder" [10] geregelt. Selbst das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat in der Antwort vom 03. März 2006 auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christa Naaß (SPD) zum paläontologischen Denkmalschutz in Bayern [11] eingeräumt, dass sich die Art. 7 bis 9 DSchG seit einigen Jahren nicht mehr im selben Umfang wie früher bewähren. Somit stellt sich die Frage, ob die im Prinzip seit 100 Jahren geltenden Rechtsinstrumente angesichts der europäischen und internationalen Vorgaben noch genügen.

II. Das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes vom 16. Januar 1992

Das bisherige Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Kulturguts vom 06. Mai 1969 (Londoner Übereinkommen) [12] wurde auf der 3. Europäischen Konferenz der für die Denkmalpflege zuständigen Minister am 16./17. Januar 1992 in Malta nach längeren Vorbereitungen revidiert und in Deutschland nach 10 Jahren durch das Gesetz vom 09. Oktober 2002 [13] ratifiziert (Art. 59 Abs. 2 GG), nachdem die Länder vorher zugestimmt hatten [14]. Damit hat es den Rang eines Bundesgesetzes.

Nun muss es wegen der Kompetenz der Länder für den Denkmalschutz (Art. 30, 70, 83 GG) [15] sowie der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Pflicht der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten (Grundsatz der Bundestreue) [16] im Landesrecht umgesetzt werden [17]. Auch die deutschen Gerichte haben somit das Übereinkommen als geltendes Bundesrecht bei der Interpretation des nationalen Rechts zu beachten und anzuwenden [18].
Als Auslegungshilfen können neben den Materialien zur Entstehungsgeschichte, den dazugehörigen Empfehlungen [19] und den zur Verabschiedung mitgegebenen Kommentaren [20] z. B. die vier in Malta gleichzeitig beschlossenen Resolutionen herangezogen werden, wobei die Resolution Nr. 1 über das archäologische Erbe hier von besonderem Interesse ist. Darin wird dem Ministerkomitee empfohlen, die Unterzeichnerstaaten aufzufordern, baldmöglichst im Rahmen ihrer Institutionen die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, um das vorgenannte Übereinkommen zu ratifizieren, anzunehmen oder zu billigen [21].


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