Weißenburger Memorandum

Am 13. und 14. November 2004 traf sich in Weißenburg i. Bay. auf Anregung der Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V. nach Gesprächen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eine Expertenrunde, die sich aus Vertretern der Schulen, Schulbehörden, Universitäten, Museen, der Museumspädagogik, der Landesarchäologie und freiberuflich sowie im Ehrenamt in der Archäologie wie in ihrer Vermittlung Tätigen zusammensetzte. Diese Fachleute stellten im Hinblick auf die Weiterentwicklung von Vorschulerziehung, Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Beruflichem Schulwesen und Förderschulen Folgendes fest:

P R Ä A M B E L

Die Archäologie als historische Wissenschaft

  • erschließt, ordnet, bewertet nichtschriftliche Quellen zur gesamten Menschheitsgeschichte und macht sie verfügbar;
  • bringt Geschichte zum Sprechen und
  • fördert so die Ausbildung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins.

Damit leistet die Archäologie wesentliche Beiträge für

  • eine breite Allgemeinbildung, indem sie aus der Reflexion der Grundlagen menschlichen Seins und Handelns Orientierungspunkte für die persönliche Lebenswirklichkeit aufzeigt;
  • die Werteerziehung, indem sie zur Identitätsfindling von Kindern und Jugendlichen beiträgt und deren Verwurzelung im Heimatraum im Rahmen des vereinten Europa sicherstellt;
  • die Erschließung unseres kulturellen Erbes, indem sie auf unsere Herkunft und Ursprünge verweist und somit zukünftigen Generationen die gemeinsame Verantwortung für die Schöpfung und die kulturelle Evolution deutlich macht und
  • eine umfassende Erziehung, indem sie eine wichtige Verbindung zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften darstellt und so die interdisziplinäre Vernetzung fördert.

Die Archäologie trägt insofern zur Nachhaltigkeit bei, als sie über den gesamten Zeitraum der Menschheitsgeschichte hinweg Wandel und Kontinuum, Evolution und Revolution sowie Aufstieg und Niedergang thematisiert und Kindern und Jugendlichen damit die Bedeutung von Langfristigem und Unvergänglichem augenscheinlich macht.

Schule und Archäologie

Die Schule erhält durch die Archäologie die Möglichkeit

  • der direkten Sachbegegnung an außerschulischen Lernorten, z. B. Geländedenkmälern, Grabungsstätten und Museen;
  • abstrakte Sachverhalte konkret erfahrbar und anschaulich zu machen, z. B. durch sinnliches ?Be"greifen;
  • der Vermittlung und Förderung von Sachkompetenz, z. B. durch Aus- und Fortbildungsangebote für die Lehrer;
  • Ü die unmittelbaren Belange des Geschichtsunterrichts hinausgehende Methodenkompetenz zu erwerben, z. B. im Bereich der Ordnung und Bewertung umfänglichen Datenmaterials;
  • die Orientierungskompetenz zu fördern, z. B. durch die Bereitschaft, die Relevanz der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft zu erkennen;
  • des fächerübergreifenden und fächerverbindenden Arbeitens, z. B. im Schnittpunkt von Geschichte, Geographie, Religionslehre und Ethik, Sprachen, Kunst und Werken, Mathematik, Biologie bzw. Natur und Technik.
  • der Wertschätzung und des Erlernens einer angemessenen Umgangsweise mit unersetzbaren Zeugnissen des kulturellen Erbes der Menschheit, z. B. durch direkte Kontakte zu authentischen historischen Objekten.

Archäologie und Schule

Um diese Möglichkeiten anbieten und ausschöpfen zu können, erachtet die Expertenrunde für notwendig, dass

  • die Archäologie und ihre Methoden verstärkt in die Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung einbezogen werden, z. B. durch Anerkennung von Archäologieseminarscheinen und das Angebot von Pflichtexkursionen;
  • eine stärkere Einbindung der Archäologie in den Schulunterricht unter Nutzung der Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Fächern stattfindet, z. B. im Heimat- und Sach- bzw. Geschichtsunterricht, Latein-, Religions- und Kunstunterricht;
  • neue Medien im jeweiligen Unterricht reflektiert genutzt werden, z. B. Internet, Animationen, Konstruktionsprogramme, Bilddateien;
  • Handreichungen gemeinsam erarbeitet werden;
  • Kooperationsthemen unter Einbeziehung archäologischer Inhalte formuliert und außerschulische Lernorte verstärkt im Rahmen von Exkursionen, Wandertagen und Projekten eingebunden werden;
  • die Erkenntnisse der archäologischen Wissenschaft bei der weiteren Entwicklung der Lehrpläne aller Schularten einschließlich der Vorschulerziehung und im Genehmigungsverfahren der Schulbücher berücksichtigt werden, z. B. dass in Lehrplänen archäologische Erkenntnisse in Bezug zur Lebenswirklichkeit der Schüler gesetzt werden;
  • Projekte zur Einbindung der Archäologie in Schule und Vorschule ideell und finanziell gefördert werden, z. B. durch breitere Unterstützung der Aktivitäten der Museumspädagogik;
  • die Einrichtungen der Landesarchäologie einschließlich der kommunalen Archäologien sowie der Museen mit Personal und Mitteln adäquat ausgestattet werden;
  • ein entsprechend den Notwendigkeiten, den deutschen Gesetzen und den internationalen Konventionen gestalteter gesetzlicher Rahmen geschaffen wird (siehe hierzu auch die Beilngrieser Erklärung vom 16. November 2002).

Weißenburg i. Bay., den 14. November 2004



Liste der Teilnehmer
Dr. Bakker, Lothar Leiter des Römischen Museums, der Städtischen Kunstsammlungen und Stadt-archäologie Augsburg
Bischler, Bernhard, M. A. Museumspädagogik, Museums-Pädagogisches Zentrum, Archäologische Staatssammlung, München
Bischler, Susanne, M. A. Museumspädagogik, Museums-Pädagogisches Zentrum, Archäologische Staatssammlung, München
Dr. Boos, Andreas Leiter der Abt. Archäologie, Museen der Stadt Regensburg
Bräunl, Lothar Experimentelle Archäologie, Archäotechniker, Regensburg
Engelien-Schmidt, Isabella M. A., Museums- und Landschaftspädagogik, Königsbrunn
Dr. Ermischer, Gerhard Museen der Stadt Aschaffenburg; l. Vorsitzender des Archäologischen Spessart-Projekts, Aschaffenburg
Dr. Flügel, Christof Konservator, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, Referat Archäologische Museen, München
Dr. Freyberger, Bert Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte, Universität Augsburg; Praktikumslehrcr Geschichte, Rudolf-Diesel-Gymnasium, Augsburg
Hefner, Doris, M.A. culturalive; Museumspädagogik im Stadtmuseum Fürstenfeldbruck
Dr. Irlinger, Walter Referatsleiter Oberbayern, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Abt. Praktische Denkmalpflege: Bodendenkmalpflege, München
Dr. Kunz-Ott, Hannelore Oberkonservatorin, Landesstelle für die nichtstaatlichcn Museen in Bayern, Referat für Museumsdidaktik und Museumspädagogik; I. Vorsitzende des Bundesverbandes Museumspädagogik e.V. München
Dr. Mühl, Klaus, StD, Fachbetreuung Latein, Emil-von-Behring-Gymnasium, Spardorf
Navratil, Dagmar, StDin Seminarlehrerin, Katholische Religionslehre, Max-Planck-Gymnasium, München
Dr. Papke, Roland, OStR Scminarlehrer Geschichte, Gymnasium Leopoldinum, Passau
Richter, Helmuth Leiter der Städtischen Museen der Stadt Weißenburg i. Bay.
Sachse, Martin C., OStR Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, Ref. Gsellschaftswissenschaften, Grundsatzabteilung, München
Dr. Schumacher-Matthäus, Gisela Wissenschaftl. Referentin, Nürnberg (ab 1.1.05 Westfälisches Museum für Archäologie, Herne)
Sénécheau, Miriam, M. A. Universität Freiburg und AG Archäologie im Schulbuch der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF), Freiburg
Dr. Sommer  
C. Sebastian Landeskonservator, Bayerisches Landcsamt für Denkmalpflege, Leiter der Abt. Praktische Denkmalpflege: Bodendenkmalpflege; Schriftführer der Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V., München
Dr. Springer, Tobias Oberkonservator, Leiter der Abt. Vor- und Frühgeschichte, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Srownal, Franz Leiter der Stadtarchäologie, Germering
Strunz, Sonja Museumspädagogik, Museumspädagogisches Zentrum im Römermuseum, Weißenburg i. Bay., Grund-/Hauptschullehrerin; Dozentin für Didaktik Bio/ Chemie, Universität Eichstätt
Thomich, Erika Projektarbcit, Otto-von-Taube-Gymnasium, Gauting
Tremmel, Markus, M.A. Pressearbeit für die Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V., Taufkirchcn
Wabra, Josef, StD a. D. Kreisheimatpfleger, Landkreis Bad Kissingen
Dr. Weber, Gerhard Kulturamtsleiter Kempten, Stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V., Kempten (Allgäu)
Weigl, Monika Kreisheimatpflegerin, Altdorf/Landshut

An den Vorbereitungen des runden Tisches beteiligten sich in Schriftform zusätzlich
(ohne Teilnahme am 13./14.11.2004):
Dr. Brehm, Thomas Leiter des Kulturpädagogischen Zentrums im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg
Egger, Michael, M.A. wissenschaftlicher Angestellter, Archäologische Staatssammlung, München
Prof. Dr. Erdmann, Elisabeth Dekanin, Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte, Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Jäggi, Carola Lehrstuhl für Christliche Archäologie und Kunstgeschichte, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Lachner, Hannelore, StDin, SR Zentrale Fachleiterin für Geschichte Realschule in Bayern, München
Mundorff, Angelika, M. A. Leiterin des Stadtmuseums Fürstenfeldbruck
Münchenbach, Siegfried, StD Referat für Geschichte/Sozialkunde, Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung, Dillingen a. d. Donau
Pocplau, Carolin Ö, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Scherbaum, Jochen, M. A. Vorsitzender im Landesverband selbstständigcr Archäologen in Bayern e.V. (SAB)
Schönauer, Rudolf, IR Referat für Pädagogik und Didaktik der Grund- und Hauptschule, Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung, Dillingen a. Donau
Prof. Dr. Waldherr, Gerhard H., Apl. Geschichte, Gesellschaft, Geographie, Philosophische Fakultät III, Universität Regensburg.