"Archäologie und Ehrenamt"
Zur Situation der Ehrenamtlichen in Bayern
aviso Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern, Sonderausgabe: aviso extra "40 Jahre Denkmalschutzgesetz", 2013
Fast 4 Millionen Menschen betätigen sich in Bayern freiwillig und ohne Bezahlung um dem Gemeinwohl zu dienen, sehr viele davon im Bereich Archäologie und Bodendenkmalpflege. Sie setzen sich in ihrer Freizeit mit zum Teil großem Einsatz an Zeit und Geld für landesgeschichtliche, heimatkundliche und landesarchäologische Belange ein, mit einem gemeinsamen, großen Ziel, das da heißt: Schutz unseres bayerischen Kulturerbes.[5]
Bis vor wenigen Jahren konnten die vielen ehrenamtlich tätigen Personen in der bayerischen Bodendenkmalpflege und Archäologie auf eine flächendeckende und effiziente Betreuung seitens der staatlichen Fachbehörde zurückgreifen, die sie beraten und fachlich weitergebildet hat.
"Ursprünge des ehrenamtlichen Engagements" (ein-, ausblenden)
" … Ehrenamtliches Engagement für Denkmalschutz und Denkmalpflege ist keine Erfindung des letzten Jahrzehnte, sondern reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Bevor mit der Gründung des „Generalkonservatoriums der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns“ 1908 erstmals eine staatliche Institution für diese Aufgaben eingesetzt wurde, waren historische Vereine die alleinigen Träger der Bodendenkmalpflege. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkten einige Vereine sogar als staatliche Organe in diesem Tätigkeitsfeld.
Mit der Einrichtung der staatlichen Fachbehörde 1908 änderten sich die Rahmenbedingungen. Die Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen und Behörden war und ist seither eng von der Struktur und den jeweiligen Möglichkeiten der staatlichen Institution abhängig. Ab den 1950er Jahren gelang aufgrund der Verbesserung der personellen und finanziellen Ausstattung der schrittweise Aufbau eines schließlich flächendeckenen Netzes an Außenstellen in Bayern und somit eine dezentrale Organsiation des Bayerischen Landesamtes in diesem Bereich. Parallel dazu richteten einzelne Städte und Landkreise Kommunalarchäologien (zwischen 1978 Augsburg, Deggendorf und Straubing und zuletzt 2010 Landshut) ein, vor allem in Ostbayern.
Die gesetzlichen Grundlagen wurden schließlich 1973 mit dem Bayerischen Denkmalschutzgesetzt festgelegt. Die darin enthaltenen Bestimmungen betreffen auch die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenngleich sie im Rahmen der „Heimatpfleger“ und „privaten Initiativen“ (Art. 13 BayDSchG) nicht präziser definiert werden. … " [1]
Seit etwa 1990 jedoch ist beinahe ein Kahlschlag an diese unerlässlichen Infrastruktur eingetreten, bedingt durch einschneidende Mittelkürzungen - begleitet von einem massiven Stellenabbau sowie einem umfassenden Verwaltungsabbau durch die Schließung vieler Dienststellen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Neben dem Hauptsitz in München gibt es derzeit noch die vier Dienststellen in Bamberg, Nürnberg, Regensburg und Thierhaupten.
"Zur Situation der Ehrenamtlichen" (ein-, ausblenden)
In Bayern können die amtliche Bodendenkmalpflege und die Museen die Ehrenamtlichen daher nur noch unzureichend betreuen. In einigen Regionen stehen gar keine Ansprechpartner mehr zur Verfügung. Die entstandene Mehrbelastung der Mitarbeiter in den verbleibenden Dienststellen macht eine angemessene Betreuung oder gar Fortbildung der Ehrenamtlichen nahezu unmöglich, da zunächst der gesetzliche Auftrag zum Schutz des kulturellen Erbes im Boden und in den Museen und Sammlungen gewährleistet werden muss.
Diese ungünstige Entwicklung führte schnell zu einer rapiden Abnahme der Zusammenarbeit und ging schlußendlich auf Kosten "der gemeinsamen Interessen und Ziele, nämlich der Erhaltung, Erforschung und Vermittlung des archäologischen Erbes in Bayern".[1]
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Fragmente eines linearbandkeramischen Bechers (bei Langenreichen)
Die Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V. hat sich mehrfach an die Öffentlichkeit gewandt und in verschiedenen Memoranden und Ausstellungen auf die ganz wesentliche Bedeutung der ehrenamtlich tätigen Personen in Archäologie und Bodendenkmalpflege aufmerksam gemacht. Der dringende Handlungsbedarf wurde wiederholt auch auf verschiedenen Jahreshauptversammlungen, Tagungen und Treffen angesprochen und diskutiert.
Wegweisend war hier besonders die Denkschrift zur Situation der Landesarchäologie in Bayern angesichts zunehmender Bedrohung und Zerstörung der archäologischen Denkmäler, die Beilngrieser Erklärung (pdf).
"Entstehung der Beilngrieser Erklärung" (ein-, ausblenden)
„…Prof. Dr. Bender, der damalige Vorsitzende des Gesellschaft für Archäologie in Bayern, hatte – beunruhigt durch die sich bereits abzeichnenden Probleme – Fachleute und Ehrenamtliche zur Diskussionsrunde eingeladen, um die Schwierigkeiten zu analysieren und Lösungsansätze zu zeigen. In der Denkschrift zur Situation des Landesarchäologie in Bayern wurden erste Lösungsvorschläge eindrucksvoll formuliert. Die angemessene Würdigung des Engagements im Ehrenamt sowie die Beratung, Schulung, Betreuung und bessere Vernetzung der ehrenamtlichen Kräfte waren einige der Forderungen.“[2]
…In den folgenden Jahren organsisierten die Ehrenamtlichen außerdem selbst regelmäßig „Treffen der Ehrenamtlichen“. Hier konnten sich die örtlichen Vereine vorstellen, es wurden Gedanken ausgetauscht und Schwierigkeiten besprochen, die ich dann auch in den Vorstand der Gesellschaft für Archäologie vermitteln konnte. Die Treffen dienten vor allem aber auch der praktischen Fortbildung z.B. in den Themenbereichen Vermessung und Zeichnen von Fundstücken…“[5]
…Helmut Bender regte einen „jour fixe“ im Ministerium für Wirtschaft, Forschung und Kunst an, wo er die Anliegen und Belange der Archäologen vortrug. Er stellte diese auch im Landesdenkmalrat vor und kommunizierte sie in die verschiedensten politischen Ebenen. Ein wichtiger Höhepunkt in dieser politischen Arbeit war sicherlich unser Treffen mit dem seinerzeit amtierenden Staatsminister Dr. Thomas Goppel im Sommer 2008 im Münchner Landtag, als die Anregung eines Projektes zur Betreuung der Ehrenamtlichen Zustimmung fand und die Umsetzung signalisiert wurde.“[2]
Nach intensiven Verhandlungen mit der Bayerischen Staatsregierung und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege konnte dann im September 2009 der Startschuss für das bayernweit auf zwei Jahre angelegte Modellprojekt "Archäologie und Ehrenamt" erfolgen.
Im Rahmen dieses Gemeinschaftsprojektes der Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V., dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege e.V. wurden im September 2009 zwei Wissenschaftler angestellt. Diese standen zwei Jahre lang ausschließlich allen ehrenamtlich Engagierten als kompetente Ansprechpartner für deren Projekte und Belange zur Verfügung.
Auf der gesamtbayerischen Tagung „Archäologie in Bayern“, die vom 16.–18. Oktober 2009 in Donauwörth stattfand, wurden die beiden Wissenschaftler (Dr. Mario Bloier, Dr. Ralf Obst) und das Modellprojekt offiziell vorgestellt und im Anschluss den Ehrenamtlichen über verschiedene Medien bekannt gemacht.
Mit eigenen finanziellen Mitteln ausgestattet, konnte so eine Vielzahl an Förderungen und Unterstützungen erfolgreich realisiert werden.
"Fazit aus dem Modellprojekt" (ein-, ausblenden)
Alle drei Schwerpunkte des Modellprojektes – Beratung und Betreuung, Aus- und Weiterbildung sowie die Förderung von Projekten – fanden sich in den zahlreichen Anträgen der Ehrenamtlichen vertreten. Die große Nachfrage an Beratung und Unterstützung zu den unterschiedlichsten Themen hat im Ergebnis dieser 2-jährigen Modellphase eindeutig den hohen Bedarf und das bisherige Fehlen einer solchen Anlaufstelle aufgezeigt.
Der große Erfolg dieses Modellprojektes liegt beispielhaft darin zu sehen, dass
„…die ehrenamtliche Mithilfe bereits nach kurzer Zeit zu einem deutlichen Erkenntniszuwachs geführt hat, der es ermöglicht, Bodendenkmäler besser schützen und im Interesse der Allgemeinheit erhalten zu können …“[3] und dass
„…die deutliche und positive Präsenz des Modellprojektes in den verschiedensten Medien dazu führte, das Bild von Bodendenkmalpflege und Landesarchäologie sowie des ehrenamtlichen Engagements vor Ort zu verbessern. Die von Ehrenamtlichen erfassten, erforschten und in der Öffentlichkeit vermittelten Denkmäler wie auch die Ehrenamtlichen selbst traten deutlicher in Erscheinung als bisher, und ihre Arbeit erfuhr eine größere Wertschätzung. …“[3]
…Außer bei den Ehrenamtlichen selbst fand der Modellversuch auch bei Fachwissenschaftlern und Denkmalpflegern sogar über die Grenzen des Freistaates hinaus Beifall. Insgesamt also ein großer Erfolg für dieses deutschlandweit noch einzigartige Projekt und eine Bestätigung für alle an seiner Einrichtung Beteiligten. Der Grundstein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen mit Landesarchäologie und Bodendenkmalpflege konnte mit der Initiative zweifelsfrei gelegt werden.
Durch die Bemühungen der Ehrenamtlichen sind im Rahmen des Modellprojektes beachtenswerte und interessante Ergebnisse zu Bodendenkmalpflege und Archäologie zustande gekommen, die helfen, dass Denkmäler als identitätsstiftende Kulturgüter und nicht als Widerpart von Fortschritt und Wachstum wahrgenommen werden. Zahlreiche Projekte, Kooperationen und Kontakte sind im Verlauf der Modellphase entstanden, und viele weitergehende Ideen und Möglichkeiten warten auf ihre Umsetzung.“[3]
Vom Modellprojekt zur dauerhaften Fachbetreuung
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Mitglieder des Arbeitskreises für Vor- und Frühgeschichte im Heimatverein für den Landkreis Augsburg untersuchen und dokumentieren bei einer Rettungsgrabung nach einem Hausabbruch in Westendorf die archäologischen Spuren aus dem Spätmittelalter
Die positiven Reaktionen auf das Modellprojekt schlugen sich auch im Erfolg einer Unterschriftenaktion nieder, die nach Beendigung der 2-jährigen Modellphase von der Gesellschaft für Archäologie durchgeführt wurde mit dem Ziel, die „Verstetigung“ des Modellprojektes zu unterstützen (ca. 1.500 Unterschriften).
“… Mit der Vorlage der Ergebnisse des Modellversuchs Denkmalpflege (MVD) im Bayerischen Landtag übermittelte das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst deshalb auch die Empfehlung einer dauerhaften Einrichtung zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements in der Bodendenkmalpflege auf der Grundlage des Modellprojekts. Damit waren die Voraussetzungen für eine dauerhafte Verankerung der Projektinhalte am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege geschaffen …“[4]
Die beiden – nun unbefristeten – Stellen für die Fachbetreuung der Ehrenamtlichen wurden mit Dr. Ralf Obst (ab 1. Dezember 2011, Dienststelle Schloss Seehof, Memmelsdorf) und Dr. Sabine Mayer (ab 15. Januar 2012, Dienststelle Regensburg) besetzt.
Ausführliche Berichte zu vielen abgeschlossenen Maßnahmen können Sie im Projektarchiv nachlesen.
Anlaß, Verlauf und Bilanz des Modellprojekts mit vielen ausführlichen Berichten über durchgeführte Maßnahmen stellt das Themenheft: "Archäologie und Ehrenamt" (pdf, ca. 17,5 MB) vor. ACHTUNG: Diese Dateigröße erfordert etwas Zeit und Geduld !!
Das Heft wurde vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Ausgabe 3/2012 der Reihe "Denkmalpflege Themen" herausgegeben. Die Druckausgabe ist leider vergriffen, ein Nachdruck ist derzeit nicht geplant.
Quellen
[1] |
Mayer, S., Der Blick zurück, Denkmalpflege Themen "Archäologie und Ehrenamt", Nr. 3 / 2012, S. 15 ff. |
[2] |
Päffgen, B., Böhm, J., Zum Geleit, Denkmalpflege Themen "Archäologie und Ehrenamt", Nr. 3 / 2012, S. 11 ff.
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[3] |
Mayer, S., Neue Wege in Bayern, Denkmalpflege Themen "Archäologie und Ehrenamt", Nr. 3 / 2012, S. 25 ff. |
[4] |
Ullrich, M., Der Blick nach vorn, Denkmalpflege Themen "Archäologie und Ehrenamt", Nr. 3 / 2012, S. 35 ff.
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[5] |
Mahnkopf, G., Faszination Vergangenheit, Archäologie und Ehrenamt, aviso extra "40 Jahre Denkmalschutzgesetz"
2013, S. 158 ff.
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