Auf den Spuren der Gallier
Die Herbstexkursion 2013 der Gesellschaft für Archäologie in Bayern, die unter dem Motto "Steinzeitjäger, Mönche und Herzöge" stand, führte ins malerische Burgund. <
Bestens vorbereitet und organisiert von der stellvertretenden Vorsitzenden Gisela Mahnkopf startete die 25-köpfige Reisegruppe am 3. Oktober. Über Stuttgart und Karlsruhe wurde nahe Ifezheim der Rhein überquert und gallischer Boden betreten.
Erste Station ganz im Osten der Champagne und Burgunds war Langres im ehemaligen Stammesgebiet des keltischen Stammes der Lingonen, die mit ihren imposanten Festungs wällen, zwölf Türmen, sieben Pforten und zahlreichen Kirchtürmen zu den schönsten Städten Frankreichs zählt.
Der nächste Tag bescherte den Teilnehmern ein dichtes Programm, das unter der professionellen Führung des ehemaligen Augsburgers Prof. Dr. Stefan Wirth stand, der an der Universität in Dijon Vor- und Frühgeschichte lehrt. Erster Exkursionspunkt war das Museum in Châtillon-sur-Seine, in dem als bedeutendstes Fundensemble das berühmte späthallstattzeitliche "Prinzessinnengrab" von Vix ausgestellt ist. Nach einer kurzen Einführung in die Archäologie Burgunds durch St. Wirth bestand Gelegenheit, die einzigartigen Funde eines der reichsten Gräber des Westhallstattkreises aus nächster Nähe zu betrachten. Erstaunen rief neben dem goldenen Halsring, dem reichen Geschirrsatz und dem Wagen vor allem der überaus reich verzierte große, wahrscheinlich aus Süditalien stammenden Bronzekrater hervor, der mit einer Höhe von ca. 1,60 m und einem Fassungsvermögen von 1100 Liter als das größte vorgeschichtliche Bronzegefäß der Welt gilt. Anlässlich des 60jährigen Auffindungsjubiläums im Jahr 1953 gab eine erstmals zu sehende Fotodokumentation interessante Einblicke in die Auffindungsgeschichte und Fundumstände dieses außergewöhnlichen Grabes.
Nach einer Mittagspause in einem typischen französischen Landgasthaus ging es über Vix auf den Mont Lassois, der schon seit längerer Zeit als bedeutender hallstattzeitlicher Fürstensitz bekannt ist und auf dem seit Jahren internationale Grabungsteams aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz tätig sind. Von besonderer Bedeutung sind die Grabungsergebnisse der letzten Jahre, die u. a. einzigartige Apsidenbauten erbrachten, die der langjährige Grabungsleiter am Mont Lassois, Dr. Bruno Chaume, der Reisegruppe ausführlich erläuterte.
Entlang des späthallstattzeitlichen Walls an der Westflanke des Bergs mit Blick auf die Wallschnitte der österreichischen und schweizerischen Grabungsteams wartete schon der nächste Exkursionspunkt in der Grande Grotte d'Arcy bei Arcysur- Cure, eine der bedeutendsten Grotten des mittleren Jungpaläolithikums Ostfrankreichs. Hier hatte die Cure neben tiefen Einschnitten in die Landschaft mehrere Höhlen ausgespült, die offensichtlich bereits sehr früh von unseren Vorfahren aufgesucht wurden. Unter der sachkundigen Führung von Catherin Varlot durchschritt die Gruppe eine atemberaubende Tropfsteinhöhlenlandschaft, deren vorderer Teil wohl ursprünglich auch Höhlenmalerei aufgewiesen hatte, die jedoch einer "brutalen Dampfstrahlreinigung" bis in die späten 1970er Jahre zum Opfer gefallen ist und erst danach unter Denkmalschutz gestellt wurde. Tief im Felsinneren konnten dann die ersten, knapp 30.000 Jahre alten gravettienzeitlichen Felsmalereien betrachtet werden, wobei die Reisegruppe das Glück hatte, auch in Bereiche vorzustoßen, die Normaltouristen unzugänglich sind. Die unterschiedlichen Mammut-, Nashorn-, Hirsch- und Vogeldarstellungen, und die zahlreichen roten Hände an einer Wand, die im Schein der Taschenlampe auftauchten, hinterließen einen bleibenden Eindruck bei allen Teilnehmern.
Am nächsten Tag drang man tief ins gallische Stammland der Haeduer auf den leider nebelverhangenen Mont Beuvray vor, auf dem ehemals deren gewaltige Hauptstadt Bibracte stand. Nach einer Einführung im Museum von Bibracte durch Dr. Eloise Vial bestand Gelegenheit zu einem Rundgang durch das auch architektonisch spannende Museum, in dem auf ca. 2.000 qm Ausstellungsfläche anhand zahlreicher Modelle, Rekonstruktionen, Dioramen und modernen Medien die Geschichte dieses bedeutenden gallischen Oppidums anschaulich dargestellt wird. Durch das rekonstruierte Zangentor wurde dann das Plateau des Oppidums durchquert, das zur Blütezeit wohl an die 10.000 Einwohner beherbergte und in dem Cäsar nach seinem Sieg über die Gallier in Alesia auch seine Kommentare zum Gallischen Krieg schrieb. Relativ schnell nach Cäsars Sieg über die Gallier verlor Bibracte an Bedeutung und große Teile der keltischen Bevölkerung siedelten in das etwa 25 km entfernte Augustodunum ab, das heutigen Autun, das auch schon das nächste Reiseziel darstellte.
Neben einem Blick auf den Janustempel bestand vor allem Zeit für die Besichtigung der Cathedrale Saint Lazare, eine außergewöhnliche dreischiffige Basilika der französischen Romanik des 12. Jhs. Besonders beeindruckte das romanische Tympanon, das aus der Hand des bedeutendsten Steinmetzen seiner Zeit namens Giselbertus stammt, der hier ein Jüngstes Gericht dargestellt hat.
Nach einer kurzen Mittagspause ging die Reise in das aus dem frühen 10. Jh. stammende Benediktinerkloster von Cluny. Auch wenn große Teile dieser einst bedeutendsten und direkt dem Papst unterstellten Abtei nach der französischen Revolution abgebrochen wurden, konnte anhand der noch sichtbaren Teile und auch über gelungene 3D-Rekonstruktionen bzw. die Audioguides eine beeindruckende Vorstellung von der ehemaligen Pracht und Größe dieses Kirchenbaus gewonnen werden.
Der zweifelsohne bekannteste paläolithische Fundplatz Burgunds ist der westlich von Mâcon gelegene Fels von Solutré, an dessen Fuß mehrjährige, bis heute andauernde Grabungen tausende Pferdeknochen eines klassischen Jagdplatzes auf im jahreszeitlichen Wechsel vorbeiziehende Pferdeherden erkennen lassen. Leider war die Zeit zu kurz, um nach einem Museumsrundgang den Felsen zu besteigen und einen wahrscheinlich atemberaubenden Blick in die umliegende Landschaft zu genießen. In einem wunderbaren Restaurant in Solutré konnten die Erlebnisse des Reisetages rekapituliert werden, wo ein exquisites Abendessen mit Weinen der Region auf die Reisegruppe wartete.
Der Vormittag des Rückreisetages wurde noch zu einem kurzen Abstecher nach Bourg-en-Bresse genutzt, wo das beeindruckende Monastere Royal de Brou auf die Reisende wartete. Das von der österreichischen Kaisertochter Margarete für ihren verstorbenen Mann Philibert II. von Savoyen erbaute Kloster ist eines der bedeutendsten Bauwerke des "Gothique flamboyant Stils", dessen Filigranität in der Ornamentik seinesgleichen sucht. Der außergewöhnlich reich ausgestalte Lettner ebenso wie das hervorragend gefertigte Chorgestühl ließen wie die Gräber von Margarethe, Philipert und Margarete von Bourbon die einzigartige Qualität der hier vertretenen Gewerke erkennen.
Auch wenn das Reiseprogramm dicht gedrängt war und sich der eine oder andere an dem einen oder anderen Exkursionspunkt manchmal ein wenig mehr Zeit gewünscht hätte, war das einstimmige Resümee der Gruppe, dass Burgund eine blühende Kulturlandschaft von der Steinzeit bis in die Gegenwart ist, wo nicht nur kulturelle sondern auch kulinarische Genüsse auf jeden Reisenden warten.
Dr. Ludwig Husty